gemini:" "Das "Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens" ist nicht authentisch. Es wurde von der Psychoanalytikerin Hermine Hug-Hellmuth verfasst und 1919 unter dem Anschein eines echten, anonymen Tagebuchs veröffentlicht.
Die Geschichte einer Fälschung
Veröffentlichung: Als das Buch erschien, erweckte es den Eindruck, die unverstellten Originalaufzeichnungen eines 11- bis 14-jährigen Mädchens aus einer bürgerlichen Wiener Familie zu sein.
Wissenschaftliche Anerkennung: Der berühmte Psychoanalytiker Sigmund Freud schrieb sogar ein Geleitwort und lobte es als wichtiges kulturhistorisches Dokument, das wertvolle Einblicke in die kindliche Seele gebe und seine Theorien zur infantilen Sexualität zu bestätigen schien.
Enthüllung: Schon kurz nach der Veröffentlichung kamen erste Zweifel an der Authentizität auf, unter anderem von der Psychologin Charlotte Bühler. Es stellte sich später heraus, dass die Herausgeberin Hermine Hug-Hellmuth das Tagebuch selbst geschrieben und als "authentisches" Dokument präsentiert hatte, um psychoanalytische Theorien zu veranschaulichen.
Warum wurde es gefälscht?
Hug-Hellmuths Ziel war es, ein "unverfälschtes" Dokument zu schaffen, das die psychische Entwicklung von Jugendlichen im Sinne der Psychoanalyse belegte. Sie wollte damit der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine scheinbar empirische Grundlage für ihre Forschungen bieten. Die Fälschung zeigt, wie stark der Wunsch nach Beweisen und die Autorität der Psychoanalyse zu dieser Zeit waren. Aus heutiger Sicht würde ein solches Vorgehen die wissenschaftliche Integrität der Autorin massiv in Frage stellen.
Die Enthüllung der Fälschung führte schließlich dazu, dass das Buch auf Freuds Initiative 1927 aus dem Buchhandel zurückgezogen wurde.
Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens Teil 1 ist eine Hörbuchaufnahme des besprochenen Buches."
Die KI, die am 8.8.2025 befragt wurde, antwortet auf dem Stand von 1986/87, denn das Tagebuch wurde 1987 wieder herausgegeben.
Im Nachwort schreibt die Herausgeberin von 1987 über die Herausgeberin der Ausgabe von 1919 Hermine Hug-Hellmuth:
"
Hanne Kulessa: "Nimmt man das alles zusammen,: das fast ausschließliche Verarbeiten eigener Erfahrungen, die Parallelität der Kindheitsgeschichte, die strukturierte Erzählweise des Tagebuchs, die kalendarischen Unstimmigkeiten, ja auch die Kinderbriefe, die Hermine Hug-Helmuth 1914 veröffentlichte und die in Stil und Sprache absolut mit dem Tagebuch identisch sind, dann kann man eigentlich zu keinem anderen Schluss gelangen, als das Verfasserin und Herausgeberin des Tagebuchs ein und dieselbe Person sind. und trotzdem mag man nicht glauben, dass Hermine Hug-Hellmuth, die bis zuletzt entschieden versichert hat, sie sei lediglich die Herausgeberin, ihren Leserinnen und Lesern, ihren berühmten und weniger berühmten Kollegen, Wissenschaftlern und Schriftstellern, einen solchen Bären aufgebunden hat.
Mich persönlich hat schließlich eine Winzigkeit davon überzeugt, dass Hermine und Grete identisch sind. Eine kleine Verfremdung, die – in dieser Art – doch nur der Dichter, beziehungsweise die Dichterin vornimmt, war es, die den letzten Zweifel beseitigte.
In 'Über Farbenhören' heißt es: "Große Bedeutung kam in meiner Jugend einer in der Nähe unserer Wohnung gelegenen Privatirrenanstalt zu, an welcher ein schmaler Heckenweg vorbeiführte, der mir streng verboten war, da ich stets im Schlafe aufschrie oder bei Tag sehr aufgeregt war, wenn ich dort gegangen. Denn erstens ging ich diesen Weg nur heimlich, hatte also immer Angst, ertappt zu werden, ferner erfolgte gerade auf diesem Umweg nach Hause meine Einführung in das Sexualgebiet durch eine Schulkameradin und endlich beobachteten wir durch die Spalten des Zaunes des Irrenhausparks eine irrsinnige Französin, die in einem kleinen Nebenhäuschen, untergebracht, dort an dem Fenstergitter rüttelte, unaufhörlich Drohungen ausstieß und gellend nach einem 'Richard' schrie, was uns Kindern, die wir uns eben mit dem Problem von 'Mann und Weib' intensiv zu beschäftigen begannen, höchlich interessierte."
Nein, es gibt in dem Tagebuch eines halbwüchsige Mädchens natürlich keine verrückte Französin, die nach Richard schreit, aber am 15. Juli des dritten Jahres lautet die Eintragung: Ich habe eigentlich nie recht gewusst, ob der Onkel Richard in der Irrenan- / stalt angestellt ist, oder ob er selbst drin ist; das letztere ist der Fall. Er ist rückenmarkleidend und ganz verblödet und manchmal hat der Tobsuchtsanfällen.
Vielleicht kann man sagen, dass die Dichterin Hermine Hug-Hellmuth größere Verdienste erworben hat als die Kinderanalytikerin Frau Dr. Hermine Hug-Helmuth. Original oder Fälschung? Das mag der Leser des 'Tagebuchs eines halbwüchsigen Mädchens' selbst entscheiden." ("Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens" st 1463, 1987, S.250/51)
Im Vorwort von Alice Miller heißt es:
"Ich halte es für durchaus möglich, oder sogar wahrscheinlich, dass die Herausgeberin des Tagebuchs unter Zuhilfenahme des Pseudonyms 'Gretel' hier ihre eigenen Aufzeichnungen aus der Kinderzeit publizierte. Doch ich halte es, aus Gründen, die mein vorangegangener Text enthält, für ausgeschlossen, dass dieses Tagebuch von einer erwachsenen Person geschrieben bzw. simuliert wurde." ("Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens" st 1463, 1987, S.12)
Obwohl die KIs gegenwärtig darauf eingestellt sind, sich möglichst nicht einseitig festzulegen, heißt es in der Antwort:
"Hug-Hellmuths Ziel war es, ein "unverfälschtes" Dokument zu schaffen, das die psychische Entwicklung von Jugendlichen im Sinne der Psychoanalyse belegte. Sie wollte damit der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine scheinbar empirische Grundlage für ihre Forschungen bieten. Die Fälschung zeigt, [...]"
1919 schrieb die Herausgeberin Hug-Hellmuth (zu dem Zeitpunkt noch anonym): "Bei der Herausgabe dieser Blätter wurde nichts beschönigt, nichts dazu getan oder weggelassen. Die Änderungen beziehen sich ein- / zig auf die Unkenntlichmachung der Personen durch die Wahl anderer Orts-, Familien- und Vornamen, durch die Verwischung, all dessen, was Eingeweihte auf die Spur der Schreiberin führen könnte. Damit erfülle ich den Wunsch der Eignerin des Tagebuches, die mir diese Aufzeichnungen zu freier Verwendung im Dienste der Wissenschaft überließ." (st 1463, S15/16)
Unter ihrem vollen Namen schrieb sie 1922: "Darin ist sie einfach ein Beispiel für den großen Typus der Tochter aus einer vornehmen Wiener Beamtenfamilie, so wie ihre Freundin Hella, die typische österreichische Offizierstochter der Vorkriegszeit repräsentiert.
Nein, in dem Tagebuch ist nichts unecht, nichts geändert, als die Namen der Personen und Orte, sowie der Beruf des Vaters der Schreiberin. (er war wohl ein höherer Staatsbeamter, stand aber nicht im Justizdienst). Es sind echte Wiener Kinder, wie sie vor dem Jahre 1914 zu finden waren, liebenswert und anmutig in ihrem sichern engen Kreis, aus dem sie kein noch so triebstarkes Verlangen nach großen Erlebnissen zu reißen vermochte. Selbst / das sexuelle Geheimnis ist für sie mehr viel mehr Gegenstand des Intellekts als der Sinnlichkeit; denn es ist so eng verknüpft mit den Gestalten von Vater und Mutter, daß weit mehr das Verbotene daran reizt, als das Rätsel selbst.
Man hat auch wiederholt bedauert, dass ich unbeschadet, das Versprechens an das Mädchen, das Original des Tagebuchs zu vernichten, nicht doch aus jedem Jahre einige Blätter aufbewahrt, um aus der Entwicklung der Schrift, die Echtheit des Dokumentes erweisen zu können. Nun, ich meine, der richtige unverbesserliche Zweifler würde sich auch durch ein solches Faksimile nicht beruhigen lassen. Ihm ist der Zweifel Bedürfnis, und darum lässt er sich auch nicht durch Beweise überzeugen." (st 1463, S.20/21)
Auffallend dabei ist, dass Hug-Hellmuth 1922 ausdrücklich anspricht, dass auch "der Beruf des Vaters der Schreiberin" verändert worden sei. Da ihr Vater Berufsoffizier war, der der Figur "Gretel" aber nicht, geht es - nun, da sie ihre persönliche Identität preisgegeben hat - wohl darum, die Verwischung zu bewahren, obwohl sie mit der Preisgabe ihrer eigenen Identität stark gefährdet worden ist. Der " Wunsch der Eignerin des Tagebuches, die mir diese Aufzeichnungen zu freier Verwendung im Dienste der Wissenschaft überließ," ist überzeugend an sich nur bei der Herausgeberin des Tagebuchs selbst. Solange sie hoffte, anonym bleiben zu können. Jede andere Person hätte doch wohl darauf bestanden, dass nur Auszüge aus ihrem Tagebuch veröffentlicht werden, die so wenig von Person und Familie preisgeben, dass keine aufwändige Verwischung notwendig wird.
Für die KI ist eine so differenzierte Darlegung in Kenntnis der Ausgabe von 1987 nicht möglich, ohne eine ungebührliche Ausweitung des Textes. Deshalb muss sie auf Fälschung bestehen. Und das, obwohl ihr Ziel vermutlich in der Tat war, "ein 'unverfälschtes' Dokument zu schaffen, das die psychische Entwicklung von Jugendlichen im Sinne der Psychoanalyse belegte. Sie wollte damit der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine scheinbar [?] empirische Grundlage für ihre Forschungen bieten."
Dies konnte sie nur, wenn sie selbst wusste, was verändert war und was nicht. Alles andere wäre aufgrund der vielen Veränderungen Spekulation gewesen.
Meine Vermutung: Sobald die Freudsche Psychoanalyse und ihr eigener Anteil daran anerkannt gewesen wäre, hätte sie gern deutlicher zu dem Text gestanden (so wie Thomas Mann zu seinem Tagebuch, das seine Homosexualität preisgab, 50 Jahre nach dem Tod und Jahrzehnte nach dem Tod seiner Frau.
Natürlich ist das reine Spekulation, alles ist unklar. Doch die KI, die nicht zu einer solch differenzierten Darlegung der Unklarheiten geeignet ist, muss auf einer Fälschung bestehen.
Ein Auszug aus dem Tagebuch findet sich hier. Der vollständige Text der Ausgabe von 1922 ist hier verlinkt. Sich ein eigenes Bild darüber zu machen, ob die KI Gemini mit der Bezeichnung Fälschung wirklich unzulässig vereinfacht hat, setzt allerdings voraus, dass man sich stärker in das Problem einarbeitet, als ich es mit meinen Hinweisen zur Kritik an der KI leisten konnte.
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