Womit begründet Götz Aly seine These, die deutsche Bevölkerung sei durch Hitlers Regierung bestochen worden?

 Der Historiker Götz Aly begründet seine These, die deutsche Bevölkerung sei durch Hitlers Regierung „bestochen“ worden, primär mit einer kontinuierlichen materiellen Begünstigung breiter Bevölkerungsschichten, die vor allem durch die Ausbeutung der Verfolgten (insbesondere der Juden) und der besetzten Gebiete finanziert wurde. Er bezeichnet das NS-Regime daher auch als „Gefälligkeitsdiktatur“ oder „Volksstaat“.


💰 Zentrale Argumente zur Begründung der Bestechungsthese

Aly stützt seine These auf folgende Punkte, um den finanziellen Konsens zwischen Führung und Volk zu belegen:

  • Sozialpolitische Wohltaten und Entlastungen: Das NS-Regime führte schnell Maßnahmen ein, die den kleinen Leuten unmittelbar zugutekamen, insbesondere in der schweren Wirtschaftskrise von 1933:

    • Stopp von Zwangsräumungen und Pfändungen von Bauernhöfen und Wohnungen.

    • Senkung oder Abschaffung von Gebühren (z.B. Senkung der Rezept- und Arztgebühren um die Hälfte).

    • Einführung des 1. Mai als bezahlten Feiertag.

    • Massive Rentenerhöhungen (z.B. um 15 %), ohne die aktiven Beitragszahler zu belasten.

    • Freizeitleistungen und subventionierte Reisen durch die Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF).

  • Steuer- und Lohnpolitik: Aly argumentiert, dass die NS-Führung bewusst darauf verzichtete, die kleinen Steuerzahler (über 90 % der Bevölkerung) im Krieg finanziell zu belasten. Stattdessen wurden Unternehmenssteuern erhöht und Lohnerhöhungen in Form von steuerfreien Zulagen (z.B. für Schicht- und Feiertagsarbeit) gewährt.

  • Finanzierung über Raub und Ausplünderung (Diebstahl auf Staatskosten): Dies ist der Kern von Alys Argumentation. Die finanzielle Großzügigkeit gegenüber der Volksgemeinschaft wurde durch Raub finanziert, wobei das gesamte Volk zu Profiteuren, Mitwissern und Mittätern gemacht wurde:

    • „Arisierung“: Der Raub des jüdischen Vermögens (Immobilien, Betriebe, Bankguthaben) wurde zur direkten und indirekten Finanzierung des Staates und der Aufrüstung genutzt. Deutsche profitierten oft von „Schleuderpreisen“ bei der Übernahme arisierter Güter.

    • Ausplünderung der besetzten Gebiete: Der Krieg wurde laut Aly massiv durch die systematische Ausbeutung der eroberten Länder finanziert. Die Wehrmachtssoldaten wurden üppig versorgt und konnten in den besetzten Gebieten zu künstlich überhöhten Wechselkursen einkaufen, wobei die Kosten den besetzten Ländern aufgebürdet wurden (eine „blutige staatliche Konkursverschleppung“).

  • Begünstigung von Soldatenfamilien: Soldaten wurden üppig versorgt. Ihre Frauen erhielten den sogenannten Einsatzfamilienunterhalt, der oft bis zu 100 % des letzten Nettolohns des Mannes ausmachte. Aly betont, dass viele Familien im Krieg ein höheres Nettoeinkommen hatten als im Frieden.

Aly schließt daraus, dass die Zustimmung zum Regime nicht nur auf Propaganda und Terror beruhte, sondern auch auf einem „Konsens“ über materielle Vorteile, die wiederum durch die Verbrechen des Regimes ermöglicht wurden.


Möchtest du die historische Debatte und die Kritik an Alys „Bestechungsthese“ kennenlernen?

Hier ist ein Video, das die Thematik vertieft: Rassistische Raubgemeinschaft. Gespräch mit Prof. Dr. Götz Aly. Dieses YouTube-Video zeigt ein Gespräch mit Götz Aly, in dem er seine These des NS-Staates als „Rassistische Raubgemeinschaft“ erläutert und dabei auf die finanzielle Begünstigung der Bevölkerung eingeht.

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